Bernd Haberditzl, Vortrag "Tierrechtsaktivismus",
Donnerstag 21:00
Tierrechtsaktivismus heisst, aktiv für Tierrechte einzutreten.
Für welche Rechte? Leben, Freiheit und Unversehrtheit. Das
sind die fundamentalen Menschenrechte, zu denen dann noch die Grundrechte,
wie Eigentum, Meinungsfreiheit usw. kommen. Die vielen sogenannten
einfachen Rechte basieren darauf. Möchte man meinen. Die Rechtsentwicklung
ist aber umgekehrt verlaufen. Aus kleinen unbedeutenden und deshalb
zugestandenen Rechten haben sich erst die fundamentalen Menschenrechte
entwickelt, sie sind am Ende des Kampfes um Rechte gestanden, sie
waren keineswegs das Fundament.
Auch Menschensklaven hatten ein immer grösser werdendes Spektrum
an Rechten, die Abschaffung der Sklaverei, das heisst die Abschaffung
der Fremdbestimmung über Leben, Freiheit und Unversehrtheit,
stand am Ende.
Tierrechtler sind ihrer Zeit weit voraus. Sie sind ihr umso weiter
voraus, je menschenrechtsähnlicher ihre geforderten Tierrechte
sind. Die Avantgarde bewegt sich jenseits des Horizontes, das heisst
sie wird nur mehr von jenen verständnismässig wahrgenommen,
die sich selbst auf vorgeschobenen Positionen befinden und die hinwiederum
zumindest von Teilen der Menschenmasse mehr oder weniger Verständnis
erfahren. Man kann sich das wie eine Karawane vorstellen, die sich
vorwärts bewegt. Und sie bewegt sich tatsächlich vorwärts.
Tierrechte, welcher Art und welchen Umfanges auch immer, finden
immer mehr Eingang in die gesellschaftliche Vorstellungswelt. Ja
noch mehr: Weit verbreitet ist die Meinung, die Tierschutzgesetze
gäben den Tieren Rechte. Daher sind wir nur noch einen, wenn
auch entscheidenden Schritt davon entfernt, dies ausdrücklich
in diesen Gesetzen zu verankern. Wer hätte es noch vor wenigen
Jahrzehnten für möglich gehalten, dass in einem Gesetz
Tiere als emotions- und leidensfähige Mitgeschöpfe bezeichnet
werden! Dass diesem Grundsatz im selben Gesetz diametral entgegengehandelt
wird, ist darauf zurückzuführen, dass die Tierausbeuter
dieses Gesetz gemacht haben und diese Präambel zur Einlullung
der Bevölkerung gedacht ist. Und doch ist es der Ansatz, sie
mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen.
Tierrecht und Tierschutz werden nicht selten als Gegensätze
dargestellt. Es gebe keine humane Vergewaltigung bis zur Forderung,
den Tierschutz in Grund und Boden zu stampfen, reicht die Palette
der Gegensatzdarsteller. Diese machen einen entscheidenden Fehler:
Sie versetzen sich nicht in die Lage der Tiere. Es kann diesen nicht
gleichgültig sein, ob ihr Martyrium kurz oder lang dauert,
ob es intensiv oder weniger intensiv ist. Tierrechtsaktivismus und
Tierschutzaktivismus sind nur für jene getrennte Bereiche,
die auf dem Schreibtisch fundierte und richtige Theorien entwickeln
und veröffentlichen, aber jeden direkten Kontakt mit gequälten
Tieren vermeiden. Auch auf diesem Gebiet darf höchster Ausbildungsstand
nicht den gesunden Hausverstand verdrängen. Der Kuh wird es
lieber sein, in einem Laufstall als an kurzer Kettenhaltung ausgebeutet
zu werden. Dem Schwein, dem Rind oder dem Schaf wird eine Betäubung
vor der Durchschneidung des Halses lieber sein, als das Schächten.
Allen zusammen wird eine Schlachtung ohne vorhergehenden qualvollen
Transport lieber sein. Ob im Käfig ausgebeutet oder mit Auslauf
ins Freie macht einen Unterschied für die Henne. Diese einleuchtenden
Argumente in Rechte giessen zu wollen, auch das ist Tierrechtsaktivismus.
Tiere müssen ein von ihnen einklagbares Recht auf Auslauf,
Laufstall, Betäubung und Transportvermeidung bekommen.
Menschliche und nichtmenschliche Tiere. Diese unter Tierrechtlern
beliebte Ausdrucksweise soll zum Ausdruck bringen, dass der Mensch
eine Spezies innerhalb des Tierreiches ist und es gar keinen wesentlichen
Unterschied zu den anderen Arten gäbe. Das ist gefährlich,
weil es unseren Gegnern ein wichtiges Argument in die Hand gibt.
Denn unter Tieren, sowohl innerhalb derselben Art, und noch mehr
zwischen den Arten, herrscht das Recht des Stärkeren. Dass
der Mensch die stärkste Spezies ist, beweist schon die Terrorherrschaft,
die er über alle anderen Tierarten ausübt. Ist ihm diese
vorzuwerfen, wenn er doch selbst ein Tier ist? Welchem anderen Tier
wird das vorgeworfen, wenn es die gleiche Terrorherrschaft über
Schwächere ausübt? Tieren ist das nicht vorwerfbar, weil
sie so programmiert sind und ihnen die Fähigkeit fehlt, anders
zu handeln.
Damit ist schon gesagt, dass der Mensch zumindest ein besonderes
Tier ist. Dass er mit Ausnahme der Hirnfunktion ein ganz gewöhnliches
Tier ist, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Aber
die Fähigkeit, anders als die anderen Tiere zu handeln, ist
in meinen Augen ein wesentlicher Unterschied. Was heisst, anders
handeln? Es heisst, das Potential des Stärkeren der ethischen
Komponente zu unterwerfen. Was ist Ethik? Bedeutende Philosophen
haben uns in etwa gesagt: Ethik sind allgemein gültige Normen
und Maximen der Lebensführung, die sich aus der Verantwortung
gegenüber anderen herleiten. Ohne es zu wissen, ja ohne es
zu wollen, weil sie durchwegs die Tiere aus dem Ethikbegriff ausgeschlossen
haben, geben sie uns die Antwort. Verantwortung heisst Sorge um
das Wohlbefinden anderer. Mit den anderen sind zweifellos nur die
anderen Menschen gemeint. Das sind aber nicht andere, sondern gleiche.
Unsere Definition muss daher lauten: Ethik sind allgemein gültige
Normen und Maximen der Lebensführung, die sich aus der Verantwortung
gegenüber gleichen und anderen Arten herleiten.
Damit ist der Definition aber noch nicht der akademische Charakter
genommen. Ich würde meinen: Ethik ist der Verzicht auf tatsächliche
oder vermeintliche Vorteile auf Kosten gleicher und anderer. Damit
wäre auch jene Vision Wirklichkeit, die den Tieren das Recht
auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit zugesteht. Das werden wir
sicher nicht erleben, aber ein wichtiger Schritt dahin wäre
schon eine Interessensabwägung. Das heisst, es ist der zu erlangende
tatsächliche oder vermeintliche Vorteil mit dem Leid und der
Qual des kostentragenden Tieres zu vergleichen. Damit würde
schon ein Teil der Tierquälereien wegfallen. Denn die Befriedigung
eines Unterhaltungsbedürfnisses wiegt dann wohl sicher nicht
die Qualen der Tiere im Zusammenhang mit Zirkus und Wettkämpfen
mit Tieren auf. Der Gaumenkitzel, der durch die Fleischgier befriedigt
wird, sicher nicht die Qualen der fleischliefernden Tiere.
Abschliessend sei noch auf die ohnehin bekannte Tatsache hingewiesen,
dass Tierrechtler und Tierschützer unserer Art für Justiz
und Verwaltung Menschen zweiter Klasse sind. Denn sie stellen eine
gesellschaftlich anerkannte Selbstverständlichkeit in Frage,
die den Menschen vom Sockel der eingebildeten Gottgleichheit stürzen
würde und ihm den Spiegel vor Augen hält, worin er erkennt,
was er wirklich ist: Viel eher ein Ebenbild des Teufels, wenn man
schon in diesen Kategorien denken will.
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