5. - 8. September 2002
 
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Gerhard Berger, TIERRECHT UND KIRCHE

Gekürztes Konzept für das Statement am 6.9.02 im Arbeitskreis Christentum und Tierrecht im Rahmen des Tierrechtskongresses 2002 in Wien

Für einen einfachen aber praktizierenden Katholik, der nicht Kirchenrechtler oder Theologe aber unglücklich darüber ist, in einer Zeit und in einer Kultur zu leben, in der die Benützung und das Töten von Tieren zu Selbstverständlichkeit geworden ist präsentiert sich die Kirche in ihrem Verhältnis zu den Tieren vor allem über das Denken und Handeln einzelner Christinnen und Christen in Gegenwart und Vergangenheit, über offizielle Aussagen kirchlicher Institutionen und Funktionsträger und über die Botschaften des Ersten und des Zweiten Testamentes

Institutionelle Aussagen

Für christliche Tierschützer gehören neuerdings zu den bitteren institutionellen Aussagen zur Tier-Mensch–Beziehung die diesbezüglichen Stellen im Weltkatechismus der katholischen Kirche.
Darin wird die gängige Umgangsart mit den Tieren in unserer industriellen Zivilisation festgeschrieben, bestätigt und erlaubt. Angesiedelt ist der ganze Komplex, bei dem es in erster Linie um Haut und Haar und Leben von Tieren geht, bezeichnender Weise beim siebten Gebot: Du sollst nicht stehlen!
So heißt es dort unter anderem, man dürfe sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen, man dürfe die Tiere für Arbeit und Freizeit verwenden und der Katechismus konstatiert weiters, dass medizinische und wissenschaftliche Tierversuche zulässig seien.
Bedauerlich ist das Fehlen jeglichen Hinweises, dass andere Denkrichtungen ebenfalls wertvoll und empfehlenswert sind und dass es schon lange auch entsprechende andere Handlungsempfehlungen gibt. Als Beispiel sei hier nur erwähnt, dass die erste Nahrungsempfehlung in den Testamenten (Genesis, 1,29) eine vegetarische, ja vegane ist. Der große Kirchenlehrer Hieronymus hat die Bibel ins Lateinische übersetzt und er wurde Vegetarier.

Dieses offizielle Dokument der katholischen Kirche weist also noch immer eine rein anthropozentrische Denkungsart auf, auch wenn im Kapitel über die Tier - Mensch - Beziehung eingangs auf die Achtung der Unversehrtheit der Schöpfung und auf den heiligen Franziskus verwiesen wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich allerdings auf ein anderes Phänomen auch hinweisen. Wann immer klare kirchliche Aussagen gemacht wurden, die sich gegen bestimmte Formen des Benützens und Tötens von Tieren richteten, so wurden diese entweder totgeschwiegen oder es wurde versucht, eine Rückname oder Änderung zu bewirken oder sie wurden einfach ignoriert. Zwei Beispiele sollen dies demonstrieren.

Für Pius V. waren die Stierkämpfe ein derart diabolisches Ärgernis, dass er sie bereits 1567 in der feierlichen Form einer Bulle verurteilte und verbot
Dieses Verbot wirkte so kräftig, dass während des Pontifikates Pius V. die Stierkämpfe in Spanien fast völlig verschwanden. Josef Bonaparte, von Napoleon den Spaniern als König aufgezwungen, führte sie jedoch wieder ein, um der Kirche einen Streich zu spielen und um sich beim einfachen Volk beliebt zu machen

Ein zweites Beispiel illustriert ebenfalls eine ähnliche Haltung der Menschen.
Im Herbst 1996 haben sich die österreichischen Bischöfe in den Erklärungen der Österreichischen Bischofskonferenz (Vollversammlung vom 5. bis 7. November 1996) auch zur artgerechten Tierhaltung und zur Schöpfungsverantwortung geäußert.
Sie stellten mit Nachdruck fest, dass vor dem Hintergrund christlichen Glaubens die gesamte Schöpfung einen gottgewollten Eigenwert besitzt und nicht allein zum Nutzen des Menschen da ist. Deshalb mögen alle Anstrengungen unternommen werden, um unsere Nahrungsmittelproduktion zu einer bodenbezogenen, kreislauforientierten, bäuerlichen Landwirtschaft hinzuführen. Die Entwicklung solle in Richtung einer umweltgerechten Produktion und einer artgerechten Tierhaltung gelenkt werden.
Die artgerechte Tierhaltung muss für Produzenten, Handel und Konsumenten zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal werden. Christen, die ihre Schöpfungsverantwortung ernst nehmen, kann Tierleid nicht gleichgültig sein.
In der Steiermark hat nur eine Tageszeitung von diesem Teil der Bischofserklärung berichtet. Steirische Tierschützer haben dann entsprechende Leserbriefe geschrieben, um diesen bemerkenswerten Teil der Erklärung der österreichische Bischöfe auch in unserem Bundesland bekannt zu machen.
Noch etwas sei hier vermerkt. Es ist zwar opportun, die Kirchen zum Sündenbock für den grausamen Umgang der westlichen Industrienationen mit den Tieren zu stempeln, den Tieren nützt dies aber gar nichts. Außerdem hat sich unser westliches Denken seit der Aufklärung, wie es G. Altner einmal vermerkte, konsequent aus den Fesseln kirchlich diktierter Wahrheiten gelöst. Das ist nun rund 300 Jahre her. Man kann also die Kirche „nicht als Alleinschuldige an den Krisenpranger der neuzeitlichen Geschichte stellen“.

Die Botschaften der Bibel

Drewermann kritisierte schon vor langer Zeit, dass die westlichen Industrienationen die Zerstörung der Erde in Kauf nehmen und in rasantem Tempo vorantreiben.
Dieser gnadenlose Anthropozentrismus wurzelt für ihn u.a. im Christentum und in der falschen Auslegung des Satzes aus der Genesis, der die Herrschaft des Menschen über die Welt und die Geschöpfe begründen sollte:
Macht Euch die Erde untertan und herrscht über ... alle Tiere, die sich auf der Erde regen.
Nun theologisch ist diese Auslegung sicher längst abgetan (vergleiche z. B. auch die Theologen Kurt Marti und Günter Altner).
In der Praxis bekommen Tierrechtler diesen Satz allerdings bei alltäglichen Diskussionen immer noch vorgehalten.
Dazu ist zu bemerken: Die hebräischen Vokabeln lauten KABASCH und RADAH. Kabasch heißt aber nicht nur niedertreten, Gewalt antun, sondern auch: wie ein sorgsamer Gärtner den Garten betreten.
Radah beinhaltet die Hirtenherrschaft, das heißt, hier ist die Sorge und die Verantwortung miteingeschlossen. Gerade dieses Bild finden wir nicht nur wunderschön bei Ezechiel sondern auch im Zweiten Testament. Christus wird mit dem guten Hirten verglichen.
Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Testament gibt es eine Reihe von Stellen, die Verantwortung des Menschen gegenüber den Tieren aufzeigen.
So finden wir neben der schon erwähnten veganen Lebensweise des Menschen als erste Ernährungsempfehlung eine Reihe von konkreten Schutzbestimmungen und Hinweise, aus denen wir eine positive Hinwendung zum Tier ableiten können. Zur Erinnerung:

  • Man verbinde dem dreschenden Ochsen nicht das Maul.
  • Es ist verboten, Ochs und Esel in das Joch zu spannen.
  • Der Gerechte erbarme sich seines Viehs.
  • Die Sabbathruhe darf für die Rettung von Tieren gebrochen werden.
  • Ninive wird auch um der Tiere willen gerettet.
  • Die messianische Friedensutopie des Jesaia (11,6 – 8).
  • Markus 1,12: Jesus geht 40 Tage zu den wilden Tieren
  • Römer 8,22: Auch die Tiere harren der Erlösung
  • Markus: Gehet hinaus und predigt das Evangelium allen Geschöpfen ( Franz von Assisi: Vogelpredigt)

Es geht aber nicht um einzelne Bibelstellen Es geht um die Grundbotschaft des Neuen Testamentes. Da bewegt einen die Botschaft der Bergpredigt. (Selig sind die Friedfertigen, die Gewaltlosen, die Barmherzigen...), da bewegt die radikale Absage Jesu Christi an alle Gewalt. Das Gebot der Liebe ist die zentrale Aussage des Zweiten Testamentes. In diese Grundbotschaften gehören aber selbstverständlich auch die Tiere miteinbezogen.

Zusammenfassung

Nimmt man die Grundbotschaft Jesu ernst, dann ist eigentlich kein Gegensatz zu tierrechtlichem Denken und Handeln erkennbar. Christinnen und Christen sollten daher ernsthaft bemüht sein, mitzuhelfen, dass auch für die Tiere Leid, Zerstörung und Tod minimiert werden.

Es gibt da für die praktische Arbeit viele Möglichkeiten:
Zum Beispiel: Publizieren in kirchlichen Fachbüchern, Zeitschriften, und Pfarrzeitungen; Vorträge und Diskussionsbeiträge in den Pfarrgruppen;
Fürbitten für die Tiere bei Gottesdiensten; Hinweise in Predigten einfordern; dafür sorgen, dass bei Pfarrveranstaltungen auch vegetarische Ernährung angeboten wird und mindestens ein Speise vegan ist; am wichtigsten ist aber ein aktives Zeugnis tierrechtlichen Denkens und Handelns in den eigenen Pfarren; vor allem Kindern und Jugendlichen soll eine Denk und Argumentationshilfe angeboten werden.

Es bleibt die Hoffnung, dass tierrechtliches Denken und Handeln in Zukunft auch bei Christinen und Christen nicht am Tellerrand endet, wie bei so vielen anderen Menschen auch!

 

Literaturhinweise

ALTNER Günther: Naturvergessenheit. Grundlage einer umfassenden Bioethik. Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt 1991
BERGER GERHARD: Gegen die Selbstverständlichkeit des Tötens und Benützens von Tieren in unserer Kultur. Vom anthropozentrischen Tierschutz zu den Grundlegungen der Tierrechtsbewegung. In: Goltschnigg Dietmar, Müller-Kampel Beatrix (Hg.): „Die Katze des Propheten“ Kulturen der Tierhaltung. Passagen Verlag, Wien 2002 ISBN 3-85165-492-7)
BERGER Gerhard/BERGER Ingrid: Recht und Schutz für Mensch und Tier. Ethische und ökologische Aspekte in einem ganzheitlichen und vernetzten Denken. In: werkblätter Gemeinschaft katholischer Erzieher in der Steiermark, Graz Heft 1, 1992
BLANKE Christa: Da krähte der Hahn. Kirchen für Tiere? Eine Streitschrift, Verlag am Eschbach, Eschbach/Markgräfenland, 1995, Seite 163
Drewermann Eugen: Der tödliche Fortschritt. Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums, 6. erw. und aktualisierte Aufl., Regensburg 1991
KATECHISMUS der katholischen Kirche. Oldenburg Verlag, München 1993
Maurer Josef: Die Stierkämpfe in Spanien und die katholische Kirche. In: Zeitschrift des Bundes gegen den Mißbrauch der Tiere e.V. München 40 Viktor – Scheffel – Straße 15/0
Österreichische Bischofkonferenz: Schöpfungsverantwortung – artgerechte Tierhaltung. Zitiert aus: KATHPRESS- Tagesdienst Nr. 261, Seite 15 f vom 9.11. 1996)