Marion Löcker, Streunerhunde in Montenegro
Im Jahre 1993 habe ich mit meinen ersten Streunerhundeprojekten
begonnen, damals in Rumänien, in Bukarest. Als eine der ersten,
die sich auf diesen glatten Boden wagten, machte ich meine Erfahrungen
und ging durch eine harte Schule. Speziell als Frau in einem ehemals
kommunistischen Land wird man nicht sofort ernst genommen. Man gab
Handküsse und war freundlich, ich war unsicher und sehr höflich,
wollte es sowohl den Tierschützern vor Ort wie auch den Behörden
recht machen, nur aus Sorge um die Hunde. Gesehen habe ich in den
letzten 10 Jahren das Grauen, wie gesagt, gelernt habe ich viel.
Ich sehe diese Auslandsprojekte nun als Entwicklungshilfe und
folge stets einer strengen Konzipierung. Ich muss dabei beinharte
Abstriche machen, wer nicht mittut in den einzelnen Ländern,
von dem verabschiede ich mich rasch, obwohl mein Herz blutet, geht
es doch rein um die Tiere, aber arme Wesen gibt es auf der ganzen
Welt.
In den 10 Jahren habe ich gelernt, gewissen Regeln zu folgen und
so aufzutreten, dass ich ernst genommen werde. Mit den Tierschützern
heißt es gleichermaßen verhandeln wie mit den Behörden,
beiden stelle ich meine Forderungen, schließlich wollen sie
ja Hilfe.
Tiere sehe ich dabei kaum; die Vorstellung, ich fahre in fremde
Länder und streichle Hunde, ist falsch. Oft sehe ich während
des gesamten Aufenthaltes die Tiere nur ganz kurz.
Auch in Montenegro läuft es nicht anders, die Tage sind voll
gestopft mit Meetings, man wird herumgereicht vom Bürgermeister,
zu den zuständigen städtischen Verwaltungsstellen, den
Veterinären, den Tierschützern, der Müllabfuhr, die
nicht selten für die Streunerhunde zuständig ist.
Für jeden muss man die passenden Worte parat haben, niemals
in Deutsch.
Man sieht mich fast als Geschäftspartner und irgendwie bin
ich das auch, eine Art Botschafter der Hunde.
Niemals kehre ich mittlerweile wieder heim, ohne den Verantwortlichen
ein Tötungsverbot abgerungen zu haben, ohne dem gibt es keine
Hilfe. Außerdem ist eine meiner Forderungen, wenn ein Rehoming
nicht möglich ist, weil die Tierzahl zu hoch ist, dass die
Tiere dort freigelassen werden, wo sie zum Zwecke der Kastration
eingefangen worden sind.
Dafür versuche ich einiges zu bieten, mittlerweile bin ich
mutig genug, Dinge zu versprechen, von denen ich vor Ort noch nicht
sicher bin, ob ich sie halten kann. Das ist dann mein Problem bei
Weiterführung des Projektes. Am Ort des Geschehens heißt
es diplomatisch sein und agieren nach Art der Politiker.
Im Gegensatz dazu habe ich bis jetzt meine Versprechen eingehalten.
Zum Denken an die Hunde kommt man erst, wenn man spät nachts
in einem schlichten Zimmerchen ins Bett fällt, dann denke ich,
dass ich dies alles nur für sie auf mich nehme, denn leicht
ist es nicht. Wie viele Stunden hat man mich bei 20 Grad minus an
den Grenzen warten lassen, schikaniert ob ein paar Spendengütern,
für die ich alle notwendigen Papiere hatte. Wie oft haben mich
die Tierschützer inmStich gelassen, leere Versprechungen gegeben,
kaum verlässt man das Land, rührt niemand mehr einen Finger.
Mittlerweile sehe ich mir die Leute gut an, in Montenegro sind sehr
gute Leute am Werk, doch auch sie brauchen Druck. Ich bin nun so
weit, sie knallhart vor ein Ultimatum zu stellen, entweder sie verschaffen
mir die Informationen die ich brauche, reagieren auf meine Anfragen
schnell und nicht nach einem Monat oder länger, oder das Projekt
stirbt – so simpel ist das. Und in Montenegro funktioniert
es, jetzt sind wir eine Crew, die gut zusammenarbeitet, auch über
die Entfernung. Wäre ich zu rücksichtsvoll, würde
nichts aus dem Projekt werden.
In all den Jahren habe ich mein Konzept so verinnerlicht, dass
es für mich keine Überraschungen vor Ort gibt, die mich
aus dem Gleichgewicht bringen können.
Diese Art des Tierschutzes mache ich insofern gerne, weil sie oftmals
ein Erfolgserlebnis bringt und weil man eine Art Missionar sein
kann.
Die Tierschützer, von Tierrechten spricht man zum Beispiel
in Montenegro noch nicht, kann man über die Hunde zu allen
anderen Themen führen. In weiterer Folge mache ich immer Vorträge
mit Filmen zum Thema Pelz, Nutztiere und alles andere.
Staunen und Ungläubigkeit sind die Folge und ein gewaltiger
Denkanstoß. Die Montenegriner wollen sämtliche Filme
und Unterlagen haben, sie werden sie übersetzen und in ihrem
Land verteilen, eine Pelztierfarm und einen Zoo haben sie schon
verhindert.
Die Hunde sind daher die Brücke zu den anderen Tieren, zu sagen,
warum man sich für Hunde im Ausland einsetzt, das bringt ja
nichts, ist schlichtweg kurzsichtig. Wenn man es geschickt macht,
schickt man über die Hunde eine Botschaft, die auch all den
anderen Tieren dienlich ist.
Ein Streunerhundeprojekt, gleich wo auf der Welt, zu betreuen
ist viel Organisationsarbeit. Woher bekomme ich Spenden? Was kosten
die Medikamente? Woher bekommt man tüchtige Tierärzte?
Was können die Tierärzte vor Ort? Mit welchen Argumenten
überzeugt man die Behörden, dass Töten ein sinnloser
Wahnsinn ist? Ist das Land EU-Anwärter und kann ich die Behörden
damit konfrontieren? Fahre ich über die Tourismusschiene nach
dem Motto: Viele Touristen beschwere sich bei uns über dieses
Land und wie es mit den Tieren umgeht. Kleine Notlügen sind
hier gestattet.
In Montenegro fahre ich die Schiene „Ein Land nach dem Krieg
im Wiederaufbau – Montenegro als Vorzeigestaat in Sachen Tierschutz“.
Dies habe ich allerdings mit den Behörden abgesprochen, die
nichts dagegen hatten, denn derlei Themen sind sehr heikel, man
muss auch bei uns sehr aufpassen, wie man dies der Gesellschaft
verkauft.
Nach Rumänien, Montenegro, Griechenland wage ich mich vielleicht
in Zukunft nach Cuba, ein Land das auch eine große Herausforderung
sein wird.
Streunehrhundeprojekte oder auch Projekte für Katzen kann
jeder betreuen, ich werde dies immer machen, ob mit oder ohne Verein,
ist man halbwegs versiert, kann man es auch über Sponsoring
machen. Es ist ein Schema, das eigentlich überall funktionieren
sollte, wenn die richtigen Leute dabei sind, ohne verlässliche
Leute vor Ort mit Eigeninitiative läuft nichts, da hilft kein
großer Wille und auch nicht viel Geld, nur gemeinsam, verbindend
kann man hier etwas bewirken und auch das ist ein Grund, warum mir
diese Projekte gefallen, auch wenn ich schon oftmals nahe dran war,
alles hinzuschmeißen, aber, nun werde ich etwas sentimental,
ein Blick in die Hundeaugen lässt allen Ärger vergessen,
denn für sie tue ich mir das an.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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