5. - 8. September 2002
 
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Marion Löcker, Streunerhunde in Montenegro

Im Jahre 1993 habe ich mit meinen ersten Streunerhundeprojekten begonnen, damals in Rumänien, in Bukarest. Als eine der ersten, die sich auf diesen glatten Boden wagten, machte ich meine Erfahrungen und ging durch eine harte Schule. Speziell als Frau in einem ehemals kommunistischen Land wird man nicht sofort ernst genommen. Man gab Handküsse und war freundlich, ich war unsicher und sehr höflich, wollte es sowohl den Tierschützern vor Ort wie auch den Behörden recht machen, nur aus Sorge um die Hunde. Gesehen habe ich in den letzten 10 Jahren das Grauen, wie gesagt, gelernt habe ich viel.

Ich sehe diese Auslandsprojekte nun als Entwicklungshilfe und folge stets einer strengen Konzipierung. Ich muss dabei beinharte Abstriche machen, wer nicht mittut in den einzelnen Ländern, von dem verabschiede ich mich rasch, obwohl mein Herz blutet, geht es doch rein um die Tiere, aber arme Wesen gibt es auf der ganzen Welt.

In den 10 Jahren habe ich gelernt, gewissen Regeln zu folgen und so aufzutreten, dass ich ernst genommen werde. Mit den Tierschützern heißt es gleichermaßen verhandeln wie mit den Behörden, beiden stelle ich meine Forderungen, schließlich wollen sie ja Hilfe.

Tiere sehe ich dabei kaum; die Vorstellung, ich fahre in fremde Länder und streichle Hunde, ist falsch. Oft sehe ich während des gesamten Aufenthaltes die Tiere nur ganz kurz.
Auch in Montenegro läuft es nicht anders, die Tage sind voll gestopft mit Meetings, man wird herumgereicht vom Bürgermeister, zu den zuständigen städtischen Verwaltungsstellen, den Veterinären, den Tierschützern, der Müllabfuhr, die nicht selten für die Streunerhunde zuständig ist.
Für jeden muss man die passenden Worte parat haben, niemals in Deutsch.
Man sieht mich fast als Geschäftspartner und irgendwie bin ich das auch, eine Art Botschafter der Hunde.
Niemals kehre ich mittlerweile wieder heim, ohne den Verantwortlichen ein Tötungsverbot abgerungen zu haben, ohne dem gibt es keine Hilfe. Außerdem ist eine meiner Forderungen, wenn ein Rehoming nicht möglich ist, weil die Tierzahl zu hoch ist, dass die Tiere dort freigelassen werden, wo sie zum Zwecke der Kastration eingefangen worden sind.

Dafür versuche ich einiges zu bieten, mittlerweile bin ich mutig genug, Dinge zu versprechen, von denen ich vor Ort noch nicht sicher bin, ob ich sie halten kann. Das ist dann mein Problem bei Weiterführung des Projektes. Am Ort des Geschehens heißt es diplomatisch sein und agieren nach Art der Politiker.

Im Gegensatz dazu habe ich bis jetzt meine Versprechen eingehalten.

Zum Denken an die Hunde kommt man erst, wenn man spät nachts in einem schlichten Zimmerchen ins Bett fällt, dann denke ich, dass ich dies alles nur für sie auf mich nehme, denn leicht ist es nicht. Wie viele Stunden hat man mich bei 20 Grad minus an den Grenzen warten lassen, schikaniert ob ein paar Spendengütern, für die ich alle notwendigen Papiere hatte. Wie oft haben mich die Tierschützer inmStich gelassen, leere Versprechungen gegeben, kaum verlässt man das Land, rührt niemand mehr einen Finger. Mittlerweile sehe ich mir die Leute gut an, in Montenegro sind sehr gute Leute am Werk, doch auch sie brauchen Druck. Ich bin nun so weit, sie knallhart vor ein Ultimatum zu stellen, entweder sie verschaffen mir die Informationen die ich brauche, reagieren auf meine Anfragen schnell und nicht nach einem Monat oder länger, oder das Projekt stirbt – so simpel ist das. Und in Montenegro funktioniert es, jetzt sind wir eine Crew, die gut zusammenarbeitet, auch über die Entfernung. Wäre ich zu rücksichtsvoll, würde nichts aus dem Projekt werden.

In all den Jahren habe ich mein Konzept so verinnerlicht, dass es für mich keine Überraschungen vor Ort gibt, die mich aus dem Gleichgewicht bringen können.
Diese Art des Tierschutzes mache ich insofern gerne, weil sie oftmals ein Erfolgserlebnis bringt und weil man eine Art Missionar sein kann.
Die Tierschützer, von Tierrechten spricht man zum Beispiel in Montenegro noch nicht, kann man über die Hunde zu allen anderen Themen führen. In weiterer Folge mache ich immer Vorträge mit Filmen zum Thema Pelz, Nutztiere und alles andere.
Staunen und Ungläubigkeit sind die Folge und ein gewaltiger Denkanstoß. Die Montenegriner wollen sämtliche Filme und Unterlagen haben, sie werden sie übersetzen und in ihrem Land verteilen, eine Pelztierfarm und einen Zoo haben sie schon verhindert.
Die Hunde sind daher die Brücke zu den anderen Tieren, zu sagen, warum man sich für Hunde im Ausland einsetzt, das bringt ja nichts, ist schlichtweg kurzsichtig. Wenn man es geschickt macht, schickt man über die Hunde eine Botschaft, die auch all den anderen Tieren dienlich ist.

Ein Streunerhundeprojekt, gleich wo auf der Welt, zu betreuen ist viel Organisationsarbeit. Woher bekomme ich Spenden? Was kosten die Medikamente? Woher bekommt man tüchtige Tierärzte? Was können die Tierärzte vor Ort? Mit welchen Argumenten überzeugt man die Behörden, dass Töten ein sinnloser Wahnsinn ist? Ist das Land EU-Anwärter und kann ich die Behörden damit konfrontieren? Fahre ich über die Tourismusschiene nach dem Motto: Viele Touristen beschwere sich bei uns über dieses Land und wie es mit den Tieren umgeht. Kleine Notlügen sind hier gestattet.

In Montenegro fahre ich die Schiene „Ein Land nach dem Krieg im Wiederaufbau – Montenegro als Vorzeigestaat in Sachen Tierschutz“. Dies habe ich allerdings mit den Behörden abgesprochen, die nichts dagegen hatten, denn derlei Themen sind sehr heikel, man muss auch bei uns sehr aufpassen, wie man dies der Gesellschaft verkauft.

Nach Rumänien, Montenegro, Griechenland wage ich mich vielleicht in Zukunft nach Cuba, ein Land das auch eine große Herausforderung sein wird.

Streunehrhundeprojekte oder auch Projekte für Katzen kann jeder betreuen, ich werde dies immer machen, ob mit oder ohne Verein, ist man halbwegs versiert, kann man es auch über Sponsoring machen. Es ist ein Schema, das eigentlich überall funktionieren sollte, wenn die richtigen Leute dabei sind, ohne verlässliche Leute vor Ort mit Eigeninitiative läuft nichts, da hilft kein großer Wille und auch nicht viel Geld, nur gemeinsam, verbindend kann man hier etwas bewirken und auch das ist ein Grund, warum mir diese Projekte gefallen, auch wenn ich schon oftmals nahe dran war, alles hinzuschmeißen, aber, nun werde ich etwas sentimental, ein Blick in die Hundeaugen lässt allen Ärger vergessen, denn für sie tue ich mir das an.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.