Vortrag Samstag 29. November 2008 09:00-10:00 Uhr im Festsaal
Ich bestreite nicht, dass es Kriminalität gibt, ich bestreite nur, dass die Grenze zwischen Kriminalität und deren möglichem Gegenteil durch Gefängnismauern bestimmt wird.
(Heinrich Böll)
Wer Tierrechte gesetzlich verankert haben will, anerkennt damit zumindest implizit den Wert und die Notwendigkeit von Gesetzen, Recht und rechtsstaatlicher Ordnung. Denn im Idealfall sollen und können sanktionierbare Rechtsnormen die Schwachen vor der Ausbeutung durch die gesellschaftlich Mächtigen schützen. Die faktische Annäherung an diese Idealsituation kann aber – dies zeigt die geschichtliche Erfahrung – nur durch zivilgesellschaftliche Auseinandersetzungen erreicht werden: Die durch Frauenbewegung und Friedensbewegung, Umweltschutzbewegung und Anti-Atomkraft-Bewegung, Bürgerrechtsbewegung und Tierrechtsbewegung angestoßenen gesellschaftlichen Konflikte haben dazu geführt, dass sich das Bewusstsein von Menschen veränderte und unmoralische Gesetze revidiert wurden. Dabei haben die genannten sozialen Bewegungen sich teilweise auch bestimmter Regelverstöße und Gesetzesübertretungen bedient, um Unrecht öffentlichkeitswirksam aufzuzeigen und die Mächtigen damit zu konfrontieren. Diese Gesetzesübertretungen in demokratisch verfassten Gesellschaftssystemen werden im Allgemeinen als ziviler Ungehorsam
bezeichnet.
Im Vortrag werden keine Handlungsanweisungen gegeben, keine Strategien für die Tierrechtsbewegung entwickelt. Es wird lediglich versucht, anhand einer historisch-systematischen wissenschaftlichen Betrachtung der Frage nachzugehen, ob, wann, wo und unter Beachtung welcher Kriterien sich ziviler Ungehorsam als angemessene und erfolgreiche Widerspruchstaktik erwiesen hat. Im Anschluss an Mahatma Gandhi, Martin Luther King und John Rawls wird ziviler Ungehorsam als Aktionsform gesehen, in der offene Konfrontation sich nicht mit selbstgerechter Gewalttätigkeit verbindet, sondern mit Gewaltlosigkeit, Respekt vor dem Gegner, Dialogbereitschaft und Orientierung am Gemeinwohl.