Ziviler Ungehorsam: Konzepte und Kontexte, von Prof. Dr.
Kurt Remele
"Ich bestreite nicht, dass es Kriminalität gibt, ich
bestreite nur, dass die Grenze zwischen Kriminalität und deren
möglichem Gegenteil durch Gefängnismauern bestimmt wird."
(Heinrich Böll)
Wer Tierrechte gesetzlich verankert haben will, anerkennt damit
zumindest implizit den Wert und die Notwendigkeit von Gesetzen,
Recht und rechtsstaatlicher Ordnung. Denn im Idealfall sollen und
können sanktionierbare Rechtsnormen die Schwachen vor der Ausbeutung
durch die gesellschaftlich Mächtigen schützen. Die faktische
Annäherung an diese Idealsituation kann aber – dies zeigt
die geschichtliche Erfahrung – nur durch zivilgesellschaftliche
Auseinandersetzungen erreicht werden: Die durch Frauenbewegung und
Friedensbewegung, Umweltschutzbewegung und Anti-Atomkraft-Bewegung,
Bürgerrechtsbewegung und Tierrechtsbewegung angestoßenen
gesellschaftlichen Konflikte haben dazu geführt, dass sich
das Bewusstsein von Menschen veränderte und unmoralische Gesetze
revidiert wurden. Dabei haben die genannten sozialen Bewegungen
sich teilweise auch bestimmter Regelverstöße und Gesetzesübertretungen
bedient, um Unrecht öffentlichkeitswirksam aufzuzeigen und
die Mächtigen damit zu konfrontieren. Diese Gesetzesübertretungen
in demokratisch verfassten Gesellschaftssystemen werden im Allgemeinen
als "ziviler Ungehorsam" bezeichnet.
Im Vortrag werden keine Handlungsanweisungen gegeben, keine Strategien
für die Tierrechtsbewegung entwickelt. Es wird lediglich versucht,
anhand einer historisch-systematischen wissenschaftlichen Betrachtung
der Frage nachzugehen, ob, wann, wo und unter Beachtung welcher
Kriterien sich ziviler Ungehorsam als angemessene und erfolgreiche
Widerspruchstaktik erwiesen hat. Im Anschluss an Mahatma Gandhi,
Martin Luther King und John Rawls wird ziviler Ungehorsam als Aktionsform
gesehen, in der offene Konfrontation sich nicht mit selbstgerechter
Gewalttätigkeit verbindet, sondern mit Gewaltlosigkeit, Respekt
vor dem Gegner, Dialogbereitschaft und Orientierung am Gemeinwohl.
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